CD Rezension: Electronic Sampler "chipyard ´99"   Black-Magazin, Ausgabe 17

"Der "Rostock Elektronic Sampler ´99" ist eines der ersten Lebenszeichen des noch jungen und im Aufbau begriffenen Labels Wycombe Music und enthält 16 Tracks von 9 Projekten aus unterschiedlichen Bereichen der elektronischen Musik. Bisher brodelte jede Band mehr oder weniger vor sich hin und her und nur gelegentlich trat man/Frau aus dem stillen Kämmerlein hervor, um das Geschaffene der Öffentlichkeit zu präsentieren. Mit diesem Sampler soll nun dem geneigten Hörer ein Bild des Entwicklungsstandes der lokalen Elektroszene geboten werden und ich bin allemal überrascht, was da so bei rausgekommen ist. Den Anfang macht High Wycombe, die Labelinhaber persönlich. Beide Titel, "No Escape" & "Arroyo", befinden sich schon auf dem aktuellen "Impulse!"-Album und sind meine Favoriten vom selbigen. Die Band bezeichnet ihren Sound als Sub-Electro. Das können wir durchaus gelten lassen; auf meiner Schublade steht härterer Electro intelligenter Machart mit nordamerikanischen Einflüßen. Die nächsten zwei Songs kommen vom Synthie-Pop-Trio EMERGENZ (heute ausnahmsweise mal großgeschrieben). Mit "Colourless Picture" wird ein neuer Song präsentiert, der voll radiotauglich ist. Eine gewohnt eingängige Melodie kombiniert mit einigen Spielereien und Susi´s Stimme im Vordergrund . Der Backroundgesang von André ist etwas dünn geraten. Daß er es besser kann, stellt er gleich beim zweiten Song unter Beweis. "Wild gooes chase" ist schon auf der ´98 CD "destinated to the past" vertreten und sowieso cool. Neben Lars, der hier die meiste Gesangslast trägt, sind sogar alle drei ´emergenzler´ zu hören. Im August war die Band übrigens bei Carlos Peron im Studio. Ich bin gespannt, was dabei rausgekommen ist, und ihr solltet es auch sein. Weiter geht´s mit einem Techno-DJ, der unter dem Pseudonym John Spring mit seinem Beitrag "First steps" vertreten ist. Der Track geht auch mehr in die Techno-Richtung, ist instrumental & rhythmisch, wie fast alle Technosachen. Für Genrefreunde und aufschlußreiche Hörer geeignet - in der sogenannten schwarzen Szene wird es wahrscheinlich weniger potentielles Publikum hierfür geben, und deshalb steht "First steps" auf diesem Sampler etwas alleingelassen. Die nächsten zwei Titel sind von UNI.VERSAL. Sie bewegen sich im elektronischen Darkwavebereich und weisen ein hohes Maß an Eigenständigkeit auf. Beide sind atmosphärisch angelegt & geprägt von Flächensounds. Sowohl bei "Hope" als auch bei "Nano technologie" wird die Musik durch stimmungsvollen männlichen & weiblichen Gesang ergänzt. Beim letztgenannten kommt eine gelungene Sprachsamplepassage vor, bei der ich an KMFDM´s Why-do-we-tolerate-massmurder?-Sample aus "Terror" vom "Nihil"-Album denken muß. Das Quartett UNI.VERSAL operierte früher und in anderer Besetzung unter dem Namen GISMO. Beide wirklich hervorragende Songs werden nur durch einige produktionstechnische Mängel getrübt, die sich besonders im zweitem Stück bemerkbar machen. Anschließend gibt es das Electrocute- Sub-Sound-System zu hören. E.QT ist eine der am längsten aktiven Rostocker Bands in dieser Sparte. Ihr Sound hat sich im Laufe der Jahre kontinuierlich weiterentwickelt. Die Beschreibung Subsound ist zutreffend, weitere Attribute erübrigen sich. "Beyond the dynamic" (´96) ist instrumental, rhythmisch- fluffig, mit einigen Tonartänderungen und vielen Soundspielereien. So könnte die Maxiversion einer coolen Depeche Mode B-Seite von heute klingen."The Source" (´98) ist der Überflieger dieser Compilation und geht wirklich ab. Ein tanzbarer Gänsehautsong mit genialer Melodie, fetziger Rhythmik und ausgefeiltem Sound. Auch hier sind ebenfalls männliche & weibliche vocals enthalten (im Punkt Gleichberechtigung war die Zone schon immer Vorreiter). Die Stimme der Sängerin hat beinahe die Ausdruckskraft von Maggi Estep, deren gesangliche Qualitäten es einmal mehr auf dem ´97er Recoil Album "Unsound Methods" zu bewundern gab. Bereits ebenfalls etwas länger elektrisch-musizierend tätig sind FRAMEWORK ("Arrogance" & "Kill Switch"). Obwohl wir uns schon recht lange kennen, ist dieses das erste Material der beiden Jungs, welches ich mir zu Gemüte führen kann, von einem Konzert vor einigen Jahren im nicht ganz nüchteren Zustand abgesehen. "Kill switch" ´98 liegt hier als cold voice mix vor und hat das Zeug zu einem echten Klubhit. Wer auf Covenant oder Dark Illumination steht, wird hiervon begeistert sein: Sehr gut arrangiert, schön synthetisch, coole Melodie. Es ist erstaunlich, wie harmonisch ein Dark-Electro-Song dieser Thematik klingen kann. Die Reprise hört sich nach Leatherstrip an und ist nicht so ganz mein Fall, aber das werden zig andere anders sehen. Als störend empfinde ich ein periodisch auftretendes Ziepen, das den ganzen Song durchzieht, aber das schieben wir mal auf die mix Variante."Arrogance" aus dem Jahr ´96 stammend, hat eine ganz eigene Stimmung, ist etwas ruhiger gehalten und mit reichlich Spannungsbögen versehen. Nach 55 min nähern wir uns nun Liberté, einem Trio, daß seit ´98 besteht. Beide Songs befinden sich auch auf ihrer selbstproduzierten CD "Out of silence". Nachdenklich gehaltenes "Satisfied" mit weiblicher Stimme verbreitet eine düstere Atmosphäre und wirkt durch einen melodiebegleitenden Bass für meinen Geschmack etwas unbeholfen. Besser ist "Your spell", vielleicht ein wenig an Apoptygma Berzerk erinnernt. Damit kommen sie ihrer eigenen Zuordnung electrowave ziemlich nahe. Die Stimme vom Sänger gefällt mir gut und hat hohen Wiedererkennungswert. Recht kurz ist der Beitrag von novisad. Doch die 1:37 min langen "hard disk frequencies" sind interresant anzuhören. Gleichzeitig wird sowohl eine sterile als auch warme Atmosphäre vermittelt. Klanglich ist der Track etwas unrein, aber das ist vom Künstler so gewollt - dieser bezeichnet es als low-computer-processing. Auf einer Industrial Compilation wäre "h.d.f." besser aufgehoben. Abschließend noch zweimal High Wycombe. Zum einem "plastic city", zum anderen "freeze". Ersteres geht in Break-Beat Gefilde und bestreitet futuristische Pfade. Abwechselnd begegnen sich schnelle Rhythmen und helle fröhliche Strings, wie meistens sehr ausgereift und empfehlenswert. Letzteres Stück ist eigentlich gar nicht H. W., sondern ein Nebenprojekt der selben Leute. Concise begibt sich in experimentellere, ambiente Regionen der Klangwelt. Mit ihrem Beitrag "Freeze" ist ein würdiger Abschluß gefunden worden. Nach Schallplattenknackgeräuschen sind die 74:16 min vorbei und man / Frau hat einen repräsentativen Querschnitt der Rostocker aktiven Electro-Szene erhalten." ..........H.M.



 

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