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  10.02.2005 Interview: "high wycombe - retoure"   nnn plus (Germany)





Musik hat viele Gesichter

Laut, leise. Kraftvoll oder romantisch verklärt. „Handgemacht“ oder am Computer. Herkömmlich oder auch experimentell. Oder einfach „High Wycombe“, das ist experimentell und am Computer „handgemacht“. Von zwei gebürtigen Rostockern, die inzwischen ein Plattenlabel ihr eigen nennen: Christian Graß und Martin Neumann.
 

Martin Neumann (l.) und Christian Graß

Foto: Reiner Nicklas

 
    „Eigentlich haben wir beide zunächst unabhängig voneinander experimentiert. Das war so 1995/96, in der Anfangsphase. Die gemeinsame Basis war dabei seinerzeit das musikalische Schaffen solcher Formationen wie Kraftwerk oder Depeche Mode“, erklärt Martin, der Informatikstudent. Im Gegensatz zur „klassischen Band“ entstand das erste Album von High Wycombe 1998 nicht im Probenraum, sondern komplett im Studio: „Es war rein experimentell und bildete noch nicht die vollkommene Einheit. Der Klang wurde auf dem PC erzeugt, auch Gitarrenverzerrer kamen zum Einsatz, um Verfremdungen zu erreichen“, umschreibt es der Soundtüftler Martin, zu dessen Klängen Christian die Songtexte macht. „Als Inspirationen dienen dabei Zustandsbeschreibungen, Science-Fiction-Visionen“, fasst dieser zusammen. Oder anders gesagt: Man wollte mit wenigen Mitteln viel erreichen, wobei man sich gerade am PC richtig austoben konnte.

Es würde zu weit führen, die Sache mit der Labelgründung zu erörtern, denn dafür müssen etliche Voraussetzungen gegeben sein. So benötigt man vor allem einen so genannten Labelcode, den man aber wieder erst verliehen bekommt, wenn man auf Veröffentlichungen verweisen kann. Ein Kreislauf ohne Ende. „Irgendwie haben wir es dann aber geschafft, und das Album „impulse“ (1998) wurde schon unter eigenem Namen herausgegeben. Sehr gut kamen auch unsere beiden „chipyard-Sampler“ (1999/2002) an, die einen breit gefächerten Eindruck vermitteln, was die unterschiedlichsten Bands in Sachen elektronischer Musik machen“, so Martin, der zugibt, dass gerade in den letzten Jahren, der „kreativen Pause, wo der Zeit- und Lustfaktor fehlte“, Christian die treibende Kraft war. „Ich habe mir da eher Freiräume geschaffen und mich erst in dem Moment wieder intensiv mit der Materie beschäftigt, wo ich gespürt habe, dass jetzt wieder neues Potential da ist.“

Was der Veröffentlichung des vierten Albums Ende letzten Jahres durchaus gut getan hat. „retoure“ verliert sich nicht in Experimentellem, ist gereifter und facettenreicher. Ein Plus durch die „verzahntere Arbeitsweise“, wie sie es nennen: „Früher hat meist jeder selbst an einem Song gebastelt, aktuell nun war das eher gemeinschaftlich der Fall. Wobei ich mich mehr um die Synthisounds kümmere, Chris um die Drumstrukturen.“

Den Projektnamen High Wycombe fanden sie nach einem Brainstorming, er sollte Klang haben. Ursprünglich nur als Stadt bekannt, machte man sich später weiter schlau und fand heraus, dass es sich dabei um einen US- Stützpunkt aus dem Zweiten Weltkrieg handelte. „Unser Logo entstand bei einer Fotosession am Matrosendenkmal Nähe Kabutzenhof, wo verschiedene Aufnahmen total unterbelichtet waren und so die Silhouette ergaben“, erinnert sich Martin, der sein Studium in Stralsund absolviert, während Wirtschaftsingenieur Christian in Neubrandenburg arbeitet. Trotz der lokalen Entfernung will man endlich auch Liveauftritte in die Planung nehmen. Was bei einem Elektronikprojekt nicht gerade einfach sein dürfte. „Wir wollen auf keinen Fall nur ruhig an unserer Technik herumstehen, da muss Lichtdesign her, Videoinstallationen als Ergänzung. Ohne dass wir unsere Musik damit überfrachten“, überlegt Martin und hofft, im Sommer so weit zu sein. Zu diesem Zweck wurden viele Konzerte anderer Künstler besucht und verglichen. Bands wie Die Krupps, Oomph! Oder Das Labor hätten da sehr begeistert („die gehen während des Auftritts total auf das Publikum ein“), wohingegen ein Act wie Project Pitchfork live eher nicht überzeugt habe.

In der Zwischenzeit ist Christian mit seinem Nebenprojekt aktiv: Concise (Album: „pure“) unter Mitwirkung von Sängerin Katrin Segert und Gitarrist Lars Sembach. Da wird schon eifrig geprobt. Für High Wycombe steht in diesem Monat in Zusammenarbeit mit der Universität Stralsund ein erster Videodreh an: „No Escape“. Einfach, „weil dieser eine Story liefert“. Auf lange Sicht liebäugelt man mit einer DVD, plant die Zusammenarbeit mit anderen Rostocker Bands und Projekten. Auch ein neuer „chipyard“-Sampler soll erscheinen. Wichtig aber sei es vor allem, den Bekanntheitsgrad noch höher zu schrauben. Immerhin: Rezensionen zu High Wycombe finden sich selbst in Kanada, den USA, Frankreich, Belgien und Russland. Ihr „retoure“ war gar in den Elektronik Top Ten des kanadischen Radiosenders cfou.fm auf Platz 3 vertreten. Erhältlich sind die „Made In Rostock“-Scheiben über Mediamärkte Norddeutschland, den SXD-Vertrieb und über die Homepage www.wycombemusic.de .
Bert Aschkowski
IM KASTEN: NNNPlus verlost zwei aktuelle Alben von High Wycombe („retoure“), zwei Alben des Projekts Concise („pure“) sowie den „chipyard 2002“-Sampler. Schreiben Sie an NNNPlus, Kennwort: RETOURE, Bergstraße 10, 18057 Rostock. Einsendeschluss ist der 10.2.2005. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

 
       
 



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