Könnt Ihr unseren Lesern Euer Projekt
HIGH WYCOMBE bitte einmal kurz vorstellen bzw. den bisherigen
Werdegang darstellen?
Martin: Wir kennen
uns bereits seit der Grundschule und begannen ca. 1996 mit ersten
musikalischen Experimenten, angefangen bei Coverversionen von Depeche
Mode bis hin zu abstrakten Industrial-Klangcollagen. Auf dem 1988
erschienenen ersten Album “reverse the verdict“ und dem 1999 folgenden
2. Album „impulse!“ finden sich Songs wieder, die sich teilweise sehr
stark in ihren elektronischen Stilrichtungen voneinander
unterscheiden. Ein Jahr später folgte das aus lizenzrechtlichen
Gründen nie veröffentlichte 3. Album “code 74“. Dem aktuellen 4. Album
“retoure“ ging eine längere Schaffenspause meinerseits voraus. In
dieser Zeit startete Christian sein Projekt “concise“, um dann Anfang
2003 erste neue Songideen für High Wycombe zu erarbeiten.
Euer Projektname ist auch der Name
einer Stadt in England - hatte das etwas mit der Namensgebung zu tun?
Christian: In
erster Linie suchten wir einen gut klingenden Namen. Dass es sich bei
High Wycombe um eine englische Stadt handelt, die in einem Buch über
die deutsche Seekriegsflotte des 2.Weltkrieges erwähnt wurde, passte
ganz gut, da wir als Rostocker auch leicht „maritim angehaucht“ sind.
;-) Bewusst unterstreichen wir den Bezug durch unser Labellogo und der
bisher gewählten CD-Covergestaltung von high wycombe.
HIGH WYCOMBE stehen in meinen Augen
bzw. Ohren stark in der Tradition von HAUJOBB, welche ab Mitte der
90er Jahre Electro mit modernen Sounds gekreuzt haben und dafür zwar
viel Anerkennung, aber leider nie den Durchbruch in der Szene erlangt
haben. War HAUJOBB für Euch wirklich ein Einfluß und wenn ja, wie und
warum?
M: Für uns war
und ist Haujobb ein großer Einfluß. Auch wenn es zuvor Bands wie
Front242, Frontline Assembly und Skinny Puppy waren, begeistern uns
bei Haujobb vor allem die Liebe zum Detail und die Sorte analoger
Sounds, die dieses Projekt unseres Erachtens unverwechselbar machen.
Den größten Einfuß hatte dabei zweifellos das Album "solutions for a
small planet".
Neben HIGH WYCOME und diversesten
Nebenprojekten betreibt Ihr in Rostock die Labelplattform Wycombe
Music - welchen Stellenwert nimmt das Label in Eurer Region ein und
wie läuft dieses bzw. trägt es sich selbst?
C: Der
Grundgedanke für die Labelgründung von Wycombe Music war das Projekt
high wycombe einem größeren Hörerkreis zugänglich zu machen. Als
Newcomer sieht es ziemlich düster aus, sofern man in Eigeninitiative
an die Medien herantritt. Mit unserer Samplerproduktion „chipyard“ und
diversen Remixbeiträgen wollten wir dann auch anderen Künstlern die
Möglichkeit bieten, für Sie neben unseren eigenen Projekten ebenfalls
als „Sprungbrett“ zu agieren. Dies funktionierte z.B. bei Framework,
Cue to Recall und Liquid Divine. Da wir das Label nebenberuflich
betreiben und uns nicht die Mittel der Großen zur Verfügung stehen,
wird Wycombe Music vermutlich ein Nischenprodukt für innovative
elektronische Music bleiben.
Ist das ein Zufall oder Absicht, daß
das Logo von Wycombe Music an das Denkmal der revolutionären Matrosen
in Rostock erinnert und wenn ja, was wollt Ihr damit ausdrücken?
C: Das Motiv der
„revolutionären Matrosen“ mit seiner dynamischen Ausdruckskraft
symbolisiert für uns, neben der Funktion als Denkmal für den
Matrosenaufstand von 1918, ebenso das permanente Vorwärtsstreben der
Menschheit. Genau das sollte auch unsere Musik verkörpern.
M: Als wir uns in Rostock zwecks Photoshooting auf den Weg machten,
waren Dank meiner “Pünktlichkeit“ die Lichtverhältnisse entsprechend
so miserabel, dass die später entwickelten Aufnahmen des Denkmals
lediglich die Silhouette der Matrosen umhüllt von einer blauen
kreisförmigen Aura zeigten. Dies als Logo zu nehmen, stand dann für
uns sofort fest.
Eure EPCD "Code 74" aus dem Jahre 2000
durfte auf Grund massiver Sprachsamples aus dem Film "Matrix" nicht
veröffentlicht werden - was waren die genaueren Hintergründe dafür?
C: Zunächst
einmal hatten wir Lust, trotz der Ungewissheit die Samples nutzen zu
dürfen, dieses Vorhaben aufgrund des genialen Films und der Story
umzusetzen. Kurz bevor “Code 74“ ins Presswerk gehen sollte, wendeten
wir uns an den Rechteinhaber Warner Bros., der uns nach zuvor
geführten Telefonaten leider die Sampleverwendung schriftlich
untersagte. Sicherlich war dies zu erwarten, aber in der Hoffnung,
dass das musikalische Endprodukt vielleicht doch überzeugen könne,
wollten wir es auf den Versuch ankommen lassen. Leider vergebens.
Euer aktuelles Album "Retoure" ist ein
intelligent-grooviger Brocken Sound, der völlig untypisch für die
derzeitige Electro-Szene in
Deutschland ist - zählt Ihr Euch dieser Szene überhaupt zugehörig bzw.
wie ist Eure Meinung über die derzeitige Lage dort?
M: Wir wünschen
uns, dass in den Clubs neben dem “Standardprogramm“ mehr innovative,
vom klassischen electro-EBM abweichende Songs gespielt werden.
Einerseits mögen wir nach wie vor Klassiker von Front242, Nitzer Ebb,
Laibach, FLA, Skinny Puppy oder neueres Material im klassischen Stil,
wie z.B. einige Sachen von Hocico und anderen. Bedauerlich ist dabei
allerdings, dass selbst von Bands wie FLA und Skinny Puppy gerade die
innovativeren, vom Gewohnten abweichenden Alben von der Szene nicht so
gut angenommen und aus unserer Sicht viel zu selten gespielt werden.
Oft haben wir in den Clubs den Eindruck, die Zeit sei stehengeblieben.
Zudem erweisen sich einige neue Projekte als schlichte Kopie früherer
Bands und lassen das Alleinstellungsmerkmal und die entsprechende
Eigenständigkeit vermissen.
Ein qualitativ absolut ebenbürtiges
Nebenprojekt von HIGH WYCOMBE ist CONCISE, welches mit "Pure" ein
betörendes Album vorgelegt hat und besonders durch die Stimme (und
Optik) der professionellen Sängerin KATRIN SEGERT besticht - wie kam
dieses Projekt zu Stande, wie sind darauf die Resonanzen und welchen
Stellenwert gegenüber HIGH WYCOMBE genießt dieses?
C: Ursprünglich
war concise ein reines Soloprojekt und beinhaltete lediglich die
Songs, die sich stilistisch nicht in die high wycombe Schublade
einordnen ließen. Und das Ganze bis zu dem Zeitpunkt als Katrin zwecks
Gesangsaufnahmen an uns herantrat und wir ihrem Song „aim“ spontan ein
neues Gewand verpassten. Seither erarbeiten wir mit frischem
Rückenwind gemeinsam neue Songideen mit der Unterstützung von
Gitarristen und Schlagzeuger. concise wird künftig zwar primär
elektronisch bleiben, sich jedoch vom Studioprojekt zur „richtigen“
Band entwickeln und das bedarf Zeit und nimmt uns momentan auch sehr
in Anspruch. Das bisherige Feedback war erstaunlich positiv, wobei
jedoch die Zielgruppe eine andere als die von high wycombe ist.
Wie ist es eigentlich um die Szene in
Eurer Heimatstadt Rostock bestellt und welche Projekte könnt Ihr da
empfehlen?
M: Rostock hat
sich in der jüngsten Zeit diesbezüglich recht ansehnlich entwickelt.
Wir denken da z.B an Michael Senfts Projekt “Hioctan“ oder an
S.K.E.T.T, die mit ihrem jüngsten Industrial-Album intelligenter
Machart sehr positive Resonanz erfahren. Nach langer Pause arbeiten
auch Framework derzeit an neuem Material. Wir sind davon überzeugt,
dass man von Rostocker Projekten in naher Zukunft bestimmt noch
einiges mehr zu hören bekommt.
Wie fast überall im Osten unserer
Republik ist es auch in Rostock nicht so gut um Arbeitsplätze bestellt
und in einem Interview mit HIOCTAN habe ich gelesen, das dieser jetzt
aus beruflichen Gründen seine Heimat verlassen muß - welche Bindung
habt Ihr an Rostock und könntet Ihr Euch ebenfalls so einen
einschneidenden Schritt vorstellen?
C: Für mich wurde
dieser Fall bereits 2003 Realität. Da sich Wycombe Music als Label
grad mal selbst trägt, musste ich nach Beendigung des Studiums
dorthin, wo Arbeit anfiel. Umso mehr freut man sich natürlich, Freunde
und Bekannte auf den entsprechenden Rostocker Parties wiederzutreffen.
Dass das musikalische Netzwerk trotzdem gut funktioniert, zeigen u.a.
die Remixbeiträge von patt (Andreas von s.k.e.t.t) oder x_dynamics auf
der retoure-cd.
M: Gerade aus
beruflichen Gründen wird dies bei mir sicherlich Anfang/Mitte 2006 zum
Thema werden und dann hat der Beruf gegenüber dem Hobby natürlich
Vorrang. Aber auch dann sehe ich Möglichkeiten, trotz evtl. örtlicher
Trennung, an gemeinsamen Projekten arbeiten zu können.
Bei der Erstellung neuer Songs arbeiteten wir nicht gleichzeitig
daran. Entweder entstehen Songs im Alleingang oder wir tauschen das
Material bis zur Fertigstellung untereinander aus. In Zeiten von
Breitbandinternet könnten wir diese Arbeitsweise trotz örtlicher
Trennung vielleicht aufrechterhalten.
Und da wir gerade beim Thema sind -
HIGH WYCOMBE nehmen regelmäßig am Warnemünder Drachenbootrennen teil -
was ist das für eine Veranstaltung?
C: Der
Drachenbootsport gewinnt von Jahr zu Jahr mehr Anhänger und das
deutschlandweit. In Warnemünde findet dieses Jahr das 10.
Drachenbootfestival statt mit 78 Mannschaften am Start und wir sind
jetzt das 5.Mal mit den Wycombe Stylers dabei. Neben den
Bandmitgliedern diverser Projekte sitzt ein großer Teil unseres
Freundeskreises mit im Boot. Teamgeist und ein kleiner
Promotionnebeneffekt sind hierbei unsere Hauptmotivatoren.
Wie sehen Eure weiteren Pläne mit HIGH
WYCOMBE, CONCISE und Wycombe Music aus?
C: An erster
Stelle stehen geplante Live-Auftritte mit Concise zum Ende des Jahres.
Seit Beginn 2005 laufen bereits die Proben zusammen mit befreundeten
Livemusikern für Schlagzeug, Bass und Gitarre.
M: Befreit von
meinem Studiumsstress steht für High Wycombe im Juli/August der Dreh
eines Musikvideos bevor, sowie die Umsetzung erster Vorbereitungen und
Tests für Live-Auftritte.
Ein BLACK-Standart ist die Frage nach
Euren derzeitigen musikalischen Favoriten bzw. All-Time-Top 5?
M: (Alben)
Skinny Puppy – The greater wrong of the right
Haujobb – Solutions for a small planet
I am X – Kiss and swallow
Frontline Assembly – Flavour of the weak
Alles von Nitzer Ebb und Front 242
C: (Songs)
nitzer ebb - lightning man
mentallo & the fixer - false prophets
haujobb - the cage complex
beefcake – drei – Titel 5
mighty math - quark sparking
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